»Wir werden uns gegenüber dem Rat starkmachen«
Die Europaabgeordnete Gaby Bischoff (S&D-Fraktion) über die Umsetzung der Ergebnisse der EU-Zukunftskonferenz
Die Zukunftskonferenz, so die Ansicht von Kritiker*innen, sei nicht mehr als ein »Demokratie-Placebo«. Wie ist Ihr Eindruck nach einem Jahr Beratungen?
Nach einigen Startschwierigkeiten würde ich heute sagen: Es war ein sehr gutes Experiment. Es hat gezeigt, dass Bürgerinnen und Bürger, wenn man ihnen die nötige Zeit gibt, sich in die Themen einzuarbeiten, zu sehr konkreten und realistischen Empfehlungen für die Politik kommen können. Ich habe es als wertvoll empfunden, dass im Rahmen der CoFoE weniger die institutionelle Debatte geführt wurde, sondern in erster Linie die lebenspraktische Perspektive der Menschen eingeflossen ist.
Am Schluss der Konferenz standen Empfehlungen, die wesentlich aus den Foren der Bürger*innen hervorgegangen sind. Welche Themen wurden am intensivsten diskutiert?
Es hat sich herausgestellt, dass den Menschen insbesondere das soziale Europa wichtig ist. Dieses Thema wurde nicht nur in der Arbeitsgruppe Wirtschaft und Soziales diskutiert, sondern zog sich durch alle AGs, ob nun Digitalisierung, Gesundheit oder sogar Demokratieentwicklung. Die zentrale Frage dabei war: Was tut die EU, was kann und muss die EU tun, um unsere Arbeits- und Lebensbedingungen zu verbessern?
Was passiert mit den Empfehlungen der Bürger*innen? Gerade in solchen Bereichen wie der Sozialpolitik lässt sich ohne Änderungen an der Europäischen Verträgen nicht viel ändern.
Wenn Europa, besser die EU, perspektivisch nicht scheitern oder auseinanderbrechen soll, brauchen wir Vertragsänderungen.
Der Rat, also die Regierungen, möchte aber eher so weitermachen wie bisher.
Ich glaube, dass selbst die Regierungen, die gegenüber Vertragsänderungen skeptisch sind, die Defizite im institutionellen Gefüge der EU und ihrer Politik sehen. Sie zögern jedoch, die konkreten Schritte zu gehen. Aber ich sage ganz klar: Man kann eine solche Zukunftskonferenz, die ja als ausdrücklich Ziel hatte, die Bürger*innen einzubeziehen, nicht starten und hinterher die Vorschläge ignorieren. Ich bin überzeugt, dass es zu einem Konvent zur Änderung der EU-Verträge kommen wird.
Dazu müsste der Rat seine Meinung ändern.
Der Rat hat zwar durchaus versucht, den Konferenzprozess zu verschleppen und die dann mit den Bürgerversammlungen aufgekommene Dynamik zu brechen. Aber es hat da gerade in den letzten Wochen von CoFoE schon bestimmte Veränderungen gegeben. Es gibt Länder wie Deutschland, Italien oder Frankreich, die sich für einen Konvent einsetzen. Aber selbst solche Staaten wie die Slowakei, die bislang eher am Althergebrachten festgehalten haben, sprechen sich nun für einen Vertragskonvent aus. Im Juni wird es beim EU-Gipfeltreffen auch darum gehen, wie mit den Empfehlungen und der Einberufung eines Konvents umgegangen wird. Da werden auch wir als Europaabgeordnete uns stark gegenüber den Regierungen machen. So haben wir es auch in der Parlamentsresolution vergangene Woche festgehalten. Ich habe übrigens vorgeschlagen, in einem Jahr mit den Bürger*innen noch einmal zusammenzukommen um Bilanz zu ziehen, was von ihren Vorschlägen umgesetzt wurde – und was nicht.
Ließen sich denn zumindest einige Empfehlungen auch ohne Vertragsänderungen umsetzen?
Das geht sicherlich bei einigen der Empfehlungen. Nehmen wir das Beispiel eines europäischen Mindestlohns, der in der Foren der Bürger*innen immer wieder gefordert wurde. Zur Zeit laufen sogenannte Trilog-Verhandlungen, also zwischen Parlament und Rat, um dessen Einführung. Und ich denke schon, dass wir mit dem Votum der CoFoE Druck weiter aufbauen können, verbindliche EU-Mindestlöhne zeitnah durchzusetzen. Ohne Vertragsänderungen wird es sicher bei den ganz großen Themen, wie beispielsweise der Außenpolitik, nicht gehen. Aber wir sind als S&D‑Fraktion gerade dabei, eine Analyse zu erstellen, welche Empfehlungen der Zukunftskonferenz mit und welche auch ohne Vertragsänderungen umgesetzt werden können.
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