Urheberrecht – agieren statt reagieren

Bis Frühjahr 2021 muss die EU-Urheberrichtsrichtlinie in nationales Recht umgesetzt werden. Ein Debattenblog soll den Austausch dazu fördern

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Manche erinnern sich sicherlich noch an riesige Demonstrationen kurz vor den Europawahlen 2019. Neben dem Einsatz für eine humane Flüchtlingspolitik und den Friday-for-Future-Kids schaffte es eine Initiative, die von jungen Leuten getragen und massenwirksam europaweit Beachtung fand, auf den Straßen und in den großen Medien diskutiert zu werden. „Save our Internet“ oder „Save the Meme“, jene kleinen meist sarkastisch bearbeiteten Filmschnipsel oder Bildmontagen, mit denen in Echtzeit politische Botschaften durch die sozialen Netzwerke gejagt wurden. Achselzuckende John Travoltas oder Schnipsel mit bekannten Gesichtern, denen neue Botschaften in den Mund gelegt wurden, gehören zum Kommunikationsalltag des Internets. Memes werden deshalb nicht ganz zu Unrecht auch bei Wikipedia gleich neben dem Begriff mit der schönen Nebenerklärung – Kulturphänomen – vorgestellt.

Wer durch den Artikel surft, findet auch sofort, dass die Ritter des Urheberrechts diesem sichtbaren Kulturphänomen, dass zwischen Parodie, Collage und Zitat steht, schon lang auf der Spur sind, um es zum neuen Stern der Abmahnindustrie zu machen, weil vielen Memes die sogenannte Schöpfungshöhe abgesprochen wird, dass es sich da wirklich um eine künstlerische Neuschöpfung handelt. Selbst der Wikipedia-Eintrag stößt in dieses Horn. De facto, zumindest nach unserer Auffassung, ist das Meme schon mindestens seit der sogenannten InfoSoc-Richtlinie von 2001 gedeckt, aber mit dem rasanten Wandel der Netzwelt und der Neufassung der EU-Urheberrecht-Richtlinie im April 2019 stand es wieder im Fokus der Debatten, obwohl es nur eine kleine Spitze des Eisberges darstellt, wenn man sich den Regelungsumfang genauer anschaut. Offenbar eignete sich das Meme aber besser als viele andere moderne Kommunikationsartefakte für die vereinfachte politische Auseinandersetzung als die die vielen sperrigeren Inhalte des Urheberrechts, das uns in der Schule genauso begegnet, wie im Museum, in der Wissenschaft, beim grenzüberschreitenden Fernsehen, in den traditionellen und modernen Medien.

Was steht eigentlich alles in der Urheberrechtsrichtlinie, außer das Leistungsschutzrecht für Presseverleger und die schwierigen Regelungen zu Upload-Filtern bei Video-Sharing-Plattformen, wie Youtube, aber auch vielen anderen Anbietern, die urheberrechtlich relevantes Material uploaden? Und warum bewegt uns gerade jetzt wieder diese Frage, wenn doch die Richtlinie in der EU entschieden ist, vieles nicht so, wie wir es uns gewünscht hatten.

Ganz einfach. Es ist so ähnlich, wie bei der Datenschutzgrundverordnung. Auch bei der EU-Urheberrichtsrichtlinie haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, um sie ihren landeseigenen Gesetzgebungen anzupassen oder neue Gesetze umzusetzen. Und hier sind wir genau mittendrin. Im späten Frühjahr 2021 ist die Zeit rum und wenn wir uns dann nicht alle die Augen reiben wollen, sollten wir schon jetzt schauen, was zum Beispiel die Bundesregierung zur Umsetzung des Urheberrechts vorlegt, oder was andere Länder vielleicht besser regeln, so dass die Ausnahmen für die Bildung, die Wissenschaft und die Kultur – ihre Kulturphänomene eingeschlossen – sinnvoll und großzügig sind. Warum? Weil damit der Zugang zu viel Wissen und eine gute Netzkommunikation einfacher ist, weil somit Kulturerbe einfacher verfügbar und auch sortierbar wird, weil Museen besser für sich werben können und die Gemeinfreiheit vieler Netzaktivitäten vielleicht mehr Akzeptanz und Sicherheit vor denen bekommt, die unser Netz mit Werbung und einträglichen Geschäftsideen vollpflastern.

In einigen Ländern sind erste Artikel der Urheberrechtsrichtlinie bereits umgesetzt. Eine englischsprachige Debatte führt dazu u. a. Communia, eine Vereinigung, die seit 2014 die Urheberrechtsreform kritisch begleitet. https://www.communia-association.org/%3E In deren Team arbeitet Paul Keller. Wir hatten ihn November 2019 mit einer Studie zu den Chancen und Risiken der Umsetzung beauftragt und eine Konferenz im Juni 2020 geplant. Ein Virus hat aus den ganzen Vorhaben des Austauschs einen Debattenblog werden lassen und den wollen wir hier ankündigen und um Mitarbeit, Kommentare und Nachfragen werben. Um eine Kurzübersicht zur Umsetzung in den Ländern zu bekommen, ist es hinreichend, sich bei Communia auf ihrem neuen DSM-Directive-Implementation-Portal schlau zu machen, doch unser Portal ist zweisprachig: englisch und deutsch und hat damit für deutschsprachige Politikerinnen und Politiker, aber auch für alle Interessierten, vom Lehrer bis zur Museumsdirektorin, die vor allem für deutschsprachige Schülerinnen und Besucher arbeiten, einen Mehrwert.

Als deutsche Delegation der LINKEN im Europaparlament haben wir bis zur Verabschiedung der Richtlinie, der wir unsere Zustimmung verweigert haben, mit Kolleginnen anderer Fraktionen und zugleich auch mit vielen Initiativen zusammengearbeitet. Eine politische Entscheidung abzulehnen, heißt aber für uns nicht, uns der weiteren politischen Auseinandersetzung zu verweigern und uns schmollend zurückzuziehen. Wir wollen mit dem Blog den Dialog um die besten Lösungen fortsetzen und auch damit, was wir für kritik- und verbesserungswürdig an der EU-Richtlinie halten, denn auch die von 2019 steht irgendwann zur Überarbeitung an. Schon derzeit finden Stake-Holder-Dialoge statt, die das sehr deutlich belegen. In unserem Blog haben wir von Beginn an eng mit Kolleginnen und Kollegen der Linksfraktion im Deutschen Bundestag zusammenarbeitet.

Jetzt sind wir online und freuen uns, wenn sie diesen Blog besuchen, mitdiskutieren und wir vielleicht noch vor dem Frühjahr 2021 Gelegenheit finden, das eine oder andere Fachproblem auch in online- oder offline-Fachgesprächen weiter zu diskutieren. Genau die kündigen wir dann auch im Blog an. https://eu-copyright-implementation.info/?s=

Ein Artikel von Martina Michels

Martina Michels

Martina Michels ist Europaabgeordnete der LINKEN und u.a. Mitglied im Ausschuss für Regionale Entwicklung und für Kultur. Sie ist zugleich Sprecherin der Delegation DIE LINKE im Europäischen Parlament.

 

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