To-do-Liste für Europa
Die Linke präsentiert auf Konvent konkrete Initiativen, die ihre EU-Abgeordneten ins Parlament einbringen wollen
Europakonvent der Linken am Sonntag in Berlin ©Die Linke/Martin Heinlein
Es waren alle da, die in der Linken Rang und Namen haben – und sogar noch einige mehr: Am Sonntagnachmittag hat die Partei ihren Europakonvent veranstaltet und mit einem Strategiepapier die Endphase des Wahlkampfs eingeläutet. Die Spitzenkandidat*innen Martin Schirdewan, Carola Rackete und Özlem Demirel hatten sich in Berlin eingefunden, ebenso Linke-Ikone Gregor Gysi, der flüchtlingspolitische Sprecher von Pro Asyl Tareq Alaows und der französische Soziologe und Autor Didier Eribon; Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow wurde ebenso per Video zugeschaltet wie die Vorsitzende der IG-Metall, Christiane Benner.
Konvente im Vorfeld wichtiger Ereignisse haben eine gewisse Tradition in der Linken. Dabei kommen Spitzenpolitiker*innen der Partei aus Bund, Ländern und Fraktionen zusammen, um über die anstehenden Herausforderungen – insbesondere Wahlen – zu sprechen und dem Wahlkampf einen letzten Impuls zu geben. So war es auch am Sonntag in Berlin-Kreuzberg – zwei Wochen vor der Abstimmung über das neue Europaparlament, die am 9. Juni in Deutschland stattfindet (EU-weit werden die Wahlen zwischen dem 6. und 9. Juni abgehalten).
Tatsächlich läuft der Wahlkampf der Linken auf Hochtouren. Kaum eine Woche, in der Spitzenpolitiker*innen der Partei nicht neue Vorschläge unterbreiten, was in der EU alles geändert werden müsste und könnte. Von einer Abschaffung der europäischen »Schuldenbremse« über eine Reform der EU-Landwirtschaftspolitik bis hin zu einem kostenfreien Nahverkehr in Europa reichen die Pläne.
Natürlich wiederholte Ko-Bundesgeschäftsführerin Katina Schubert, die durch die Veranstaltung führte, auch auf dem Konvent mehrfach den Aufruf, zur Wahl zu gehen – natürlich mit der Ergänzung, doch »die Richtigen« anzukreuzen. Schließlich hatten die Parteivorsitzenden Janine Wissler und Schirdewan – der in Personalunion auch Ko-Chef der Linksfraktion im Europaparlament ist – die Bedeutung der Wahl ausdrücklich betont: Es gehe um eine Richtungsentscheidung um ein »Weiter-so« in der EU oder die Weichenstellung in Richtung eines sozialen, gerechten und friedlichen Europas.
Dafür hat Die Linke am Sonntag ein Papier angenommen, in dem zentrale Initiativen aufgelistet werden, die ihre künftigen Abgeordneten ins Europaparlament einbringen werden – und zwar in den ersten 100 Tagen. An erster Stelle stehen dabei soziale Fragen. So wollen sie in Brüssel einen Prozess zur europaweiten Mindestbesteuerung von Vermögen einleiten, um mit den dadurch freiwerdenden Geldern die Armut zu bekämpfen.
Ebenso will die Partei einen Antrag zur Einführung einer dauerhaften Übergewinnsteuer in der EU einbringen, das Recht auf Wohnen in einer EU-Richtlinie festschreiben, einen Rahmen für den Ausbau des europäischen Bahnsystems setzen und einen EU-Fonds für die (Re-)Kommunalisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge auf den Weg bringen. Eine Richtlinie soll Mindeststandards in der Gesundheitsversorgung überall in der EU setzen und mit Reformvorschlägen soll die Vergaberichtlinie der EU so geändert werden, dass eine Tarifbindung endlich Pflicht wird.
Die Linke will zugleich Druck auf die Bundesregierung ausüben, die EU-Mindestlohnrichtlinie zügig umsetzen und den gesetzlichen Mindestlohn auf 15 Euro zu erhöhen. Nicht zuletzt wollen sich die Linke-Abgeordneten im Europaparlament dafür einsetzen, den Just Transition Fund massiv auszuweiten und damit einen klimagerechten und sozialen Umbau der Industrie beschleunigen.
Parteipolitiker*innen und Sympathisant*innen der Linken unterstützten diese Forderungen mit eigenen Sichtweisen. Carola Rackete als Ökologin verwies beispielsweise darauf, dass der Kampf gegen die Klimakrise auch eine Form der Solidarität mit dem Globalen Süden sei. Die beiden Ko-Vorsitzenden der Bundestagsgruppe brachten die Themen Demokratie und Soziales zusammen (Heidi Reichinneck: »Demokratie stärkt man vor allem, wenn man Armut bekämpft«) und betonten die notwendige Verankerung der Linken in den Städten und Gemeinden (Sören Pellmann: »Kommunen sind Herzkammer und Wurzeln linker Politik«).
Thüringens Linke-Ministerpräsident Bodo Ramelow monierte, dass bei Vergabe von Leistungen der Daseinsvorsorge zu oft auf die Kosten als Hauptkriterium und damit letztlich auch auf Lohndumping gesetzt werde; die Europaabgeordnete Özlem Demirel forderte einen Mindestlohn in Deutschland von wenigstens 15 Euro. Demirel hatte die im EU-Parlament die Mindestlohnrichtlinie wesentlich mitgestaltet. Das würdigte auch die Chefin der IG Metall, Christiane Benner, und setzte noch einige Beispiele hinzu, die die Linken »in Europa« erreicht haben, wie die Regelungen für mehr Sozialschutz von Plattformbeschäftigten.
Gregor Gysi nutze sein Statement nicht nur für den Aufruf, die Daseinsvorsorge in Europa so umzugestalten, dass sie den Menschen dient, sondern teilte auch kräftig gegen Sahra Wagenknecht und deren Bündnis aus, das sich von der Linkspartei abgespalten hatte. Originalton Gysi: »Wenn ich lese, dass es für Sahra Wagenknecht kein Problem ist, die Bezahlkarte für Geflüchtete zusammen mit der AfD zu beschließen, Sozialleistungen für abgelehnte Asylsuchende gleich ganz zu streichen und wie die AfD so wenig wie möglich europäische Integration anstrebt – dann frage ich mich, wie sie es so lange bei uns ausgehalten hat.«
Ob die Linke ihre Initiativen umsetzen kann, hängt wesentlich davon ab, wie stark sie ins Europaparlament einzieht. Bei der letzten Wahl 2019 landete sie bei 5,5 Prozent – momentan liegt sie in Umfragen um die 3,5 Prozent, was vier bis fünf Sitzen entspräche.
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