Rassismus in der EU: Spitzenplatz für Deutschland

Bei einer europäischen Befragung von Schwarzen Menschen zu ihren Rassismuserfahrungen schneidet die Bundesrepublik besonders schlecht ab

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Im europäischen Vergleich sind Deutsche gegenüber Schwarzen Menschen besonders rassistisch. 76 Prozent der in Deutschland lebenden Schwarzen gaben in einer am Mittwoch vorgestellten Umfrage an, in den vergangenen fünf Jahren rassistisch diskriminiert worden zu sein. So hoch ist die Zahl in fast keinem anderen der 13 EU-Länder, in denen die EU-Agentur für Grundrechte (FRA) die Befragung durchgeführt hatte. Lediglich in Österreich ist die Benachteiligung den Ergebnissen zufolge ähnlich hoch.

Die FRA hatte rund 6700 Eingewanderte aus afrikanischen Ländern und ihre Nachkommen befragt, die jetzt vor allem in west- und südeuropäischen EU-Staaten leben. Der am Dienstag veröffentlichte Bericht »Being Black in the EU« (»Schwarz sein in der EU«) zeigt, wie weit Deutschland in der Diskriminierungsbekämpfung hinterherhinkt.

Rassistisch motivierte Übergriffe wie beleidigende Kommentare und Gewaltandrohungen erlebten Schwarze Menschen hierzulande besonders häufig: Von solchen Erlebnissen berichteten 54 Prozent der Befragten in Deutschland. Der Mittelwert der 13 Länder liegt bei 30 Prozent. Auch rassistisch motivierte Gewalt schlug Befragten in Deutschland besonders häufig entgegen (neun Prozent), nur in Finnland ist die Zahl höher (elf Prozent).

Rassismus von Arbeitsplatz bis Polizei
Am Arbeitsplatz werden Schwarze Menschen in Deutschland ebenfalls stärker diskriminiert als anderswo. 46 Prozent von ihnen gaben an, solche Erfahrungen im zurückliegenden Jahr gemacht zu haben, während es in allen Ländern durchschnittlich 31 Prozent sind. »Als ob es Schwarze Menschen nicht längst wussten, was eine neue Studie jetzt bestätigt«, kommentiert Paul Arzten trocken, Vorstandsmitglied der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD), auf der Onlineplattform X (ehemals Twitter).

Was Begegnungen von Schwarzen Menschen mit der Polizei betrifft, gehen in Deutschland besonders viele Befragte davon aus, aufgrund ihres Aussehens kontrolliert worden zu sein. 69 Prozent – auch dies liegt über dem Mittelwert – vermuten Racial Profiling als Grund für die Polizeikontrolle.

Angesichts dieser Zahlen fordert die FRA die Länder der Europäischen Union dazu auf, gegen institutionelle Diskriminierungen vorzugehen und »eine diskriminierende Kultur in der Polizeiarbeit zu verhindern und zu beseitigen.«

Selbst Kinder werden bedroht
Was der Bericht auch zeigt: Insgesamt scheinen West- und Südeuropa rassistischer geworden zu sein. In den 13 EU-Ländern berichten nun mehr Schwarze Menschen von Diskriminierung als vor fünf Jahren. Während 2016 noch 39 Prozent der Befragten angaben, rassistische Erfahrungen gemacht zu haben, waren es im vergangenen Jahr 45 Prozent.

Das betrifft auch Kinder und Jugendliche. Im Vergleich zu 2016 wurden Schwarze Kinder in der Schule häufiger angegriffen, beleidigt oder ausgegrenzt. An deutschen Schulen erlebten fast 40 Prozent der Schwarzen Schüler*innen bereits rassistische Bedrohungen und Beleidigungen.

Das Europäische Netzwerk gegen Rassismus fordert, dass »struktureller Rassismus in der Migrationspolitik und in Strafverfolgungspraktiken angegangen werden muss«. Er sei eine der Hauptursachen für die »allgegenwärtige rassistische Diskriminierung«, die der Bericht von FRA dokume

(Der Text erschien zuerst in der Tageszeitung „nd.DerTag“.)

Ein Artikel von Marion Bergermann

Marion Bergermann

Marion Bergermann ist freie Journalistin in Brüssel mit dem Schwerpunkt EU-Politik.

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