Grüne Industrie: Lockruf der Subventionen
Mit zwei Gesetzesvorstößen will die EU-Kommission die grüne Industrie stärken – und den USA die Stirn bieten
»Wir müssen uns zusammenreißen, wenn wir Spitzenreiter bleiben wollen« – mit diesen Worten warb Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in der vergangenen Woche vor dem EU-Parlament für ihre Pläne, die europäische Produktion von grünen Schlüsseltechnologien anzukurbeln. Das jetzt vorgelegte, sogenannte Netto-Null-Gesetz soll sicherstellen, dass Wärmepumpen, Solaranlagen und Windkrafträder wieder verstärkt das Label »Made in EU« tragen.
Die Kommission will mit ihrem neuen Gesetz Industriezweige fördern, die entscheidend sind auf dem Weg zur angestrebten Klimaneutralität. Ab 2050 will die Union nur noch so viele Treibhausgase ausstoßen, wie in den Mitgliedsstaaten auch wieder absorbiert werden können. Ein ehrgeiziges Ziel, das man auch durch die Förderung von Atomkraft erreichen will.
Auch wenn von der Leyen von der Rettung des Klimas redet, so ist das Gesetz doch vor allem wirtschaftspolitisch motiviert. Es ist eine Antwort auf den US-amerikanischen »Inflation Reduction Act« (IRA), der mindestens 370 Milliarden Dollar schwer ist und grüne Industrie in den Vereinigten Staaten aus- bzw. aufbauen soll.
Das Problem aus europäischer Sicht: Subventionen und Steueranreize will Präsident Joe Biden vor allem Firmen gewähren, die in den USA produzieren. Schon jetzt folgen erste Konzerne dem Ruf aus Übersee. Etwa der Autobauer Tesla, der an seinem Standort in Brandenburg nun doch keine kompletten Batterien, sondern nur einzelne Komponenten baut und einige Produktionsschritte in den USA ausführen will. Auch andere Konzerne wie Siemens Energy oder Schaeffler wollen dem Lockruf folgen. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer behauptet, dass jedes zehnte Unternehmen hierzulande über Produktionsverlagerungen nachdenkt.
Auch deshalb erklärte die EU-Kommissionschefin: »Das Rennen ist eröffnet.« Von der Leyen hatte bei den Gesprächen mit dem US-Präsidenten am 11. März nicht viel erreicht. Zwar sprach sie später von einem »kleinen Durchbruch«. Allerdings konnte sie Biden lediglich die Zusage über die Aufnahme von Verhandlungen abringen – und das auch nur zu einem Themenbereich, nämlich den kritischen Rohstoffen für Autobatterien. Insofern läuft alles auf einen Subventionswettlauf hinaus, über den sich vor allem Konzerne freuen dürften.
Die Kommission selbst hat nicht das Geld, hier mit den USA gleichzuziehen, sie will stattdessen Genehmigungsverfahren vereinfachen und den Mitgliedsstaaten mehr Spielraum beim Subventionieren der eigenen Industrie lassen. So droht auch ein innereuropäischer Wettlauf. Für Martin Schirdewan, Ko-Vorsitzender der Linksfraktion im EU-Parlament, eine gefährliche Entwicklung: »Unter dem Deckmantel der Klimaziele fördert die Kommission eine Industriepolitik von Deregulierung, staatlichen Beihilfen und Steuererleichterungen für die großen Konzerne.« Viel Diskussionsstoff also für die anstehenden Beratungen in Parlament und Rat, die das Vorhaben billigen müssen.
Dabei stehen die Europäer*innen besonders unter Druck, sind doch allein schon die hohen Energiepreise ein Standortnachteil. Außerdem muss die europäische Industrie einen Großteil der benötigten Rohstoffe importieren, etwa aus Russland oder China. Um zumindest bei den kritischen Rohstoffen unabhängiger zu werden, hat die Kommission parallel zum Netto-Null-Gesetz auch Vorschläge präsentiert, wie die EU »sicher und nachhaltig mit kritischen Rohstoffen versorgt werden kann«. Der »Critical Raw Materials Act« orientiert sich an einer Liste strategischer Rohstoffe. »Dabei handelt es sich um essenzielle Rohstoffe für Technologien, die für Europas grüne und digitale Ambitionen sowie für Verteidigungs- und Raumfahrtanwendungen wichtig sind und wo Versorgungsrisiken bestehen«, heißt es.
Dazu zählen so exotische Metalle wie Scandium oder Germanium, das man zur Herstellung von Glasfaserkabeln braucht. Nach den Plänen der Kommission sollen mindestens zehn Prozent dieser Materialien in der EU abgebaut, zu mindestens 40 Prozent in der EU weiterverarbeitet und zu mindestens 15 Prozent aus der europäischen Kreislaufwirtschaft kommen. Zudem soll die EU von keinem Drittland zu mehr als 65 Prozent abhängig sein. Im Rahmen des Vorhabens sollen Genehmigungsverfahren für Bergbauprojekte vereinfacht, Genehmigungsfristen verkürzt werden.
»Wir brauchen unbedingt kritische Rohstoffe in der Europäischen Union für den ökologischen Übergang, während wir unsere Abhängigkeit von Diktatoren und autoritären Regimen vermeiden müssen«, kommentiert Sara Matthieu. Die Abgeordnete der Grünen-Fraktion im Europaparlament warnt indes vor der einseitigen Ausrichtung des Vorhabens: »Wir müssen auch vermeiden, dass Arbeitnehmer und der Planet durch den Abbau von Rohstoffen geschädigt werden.«
(Der Text ist zuerst erschienen auf https://www.nd-aktuell.de/)
die-zukunft.eu freut sich auf Ihre/auf Eure Vorschläge für Beiträge zur Debatte über ein anderes Europa. Bitte geben Sie Ihren Namen, die Organisation sowie eine Kontaktadresse an.
Hinweis
Guter Journalismus ist nicht umsonst.
Die Inhalte auf die-zukunft.eu sind grundsätzlich kostenlos. Aber auch wir brauchen finanzielle Ressourcen, um die-zukunft.eu mit journalistischen Inhalten zu füllen. Unterstützen Sie uns und machen Sie unabhängigen, linken Journalismus möglich.
Kontakt
Sie wollen Kontakt zu uns aufnehmen?
die-zukunft.eu freut sich auf Ihre/auf Eure Vorschläge für Beiträge zur Debatte über ein anderes Europa. Bitte geben Sie Ihren Namen, die Organisation sowie eine Kontaktadresse an.
Zahlungsmethode
Hinweis
Guter Journalismus ist nicht umsonst.
Die Inhalte auf die-zukunft.eu sind grundsätzlich kostenlos. Aber auch wir brauchen finanzielle Ressourcen, um die-zukunft.eu mit journalistischen Inhalten zu füllen. Unterstützen Sie uns und machen Sie unabhängigen, linken Journalismus möglich.
Zahlungsmethode
Kontakt
Sie wollen Kontakt zu uns aufnehmen?
die-zukunft.eu freut sich auf Ihre/auf Eure Vorschläge für Beiträge zur Debatte über ein anderes Europa. Bitte geben Sie Ihren Namen, die Organisation sowie eine Kontaktadresse an.