EU wird zur Rüstungsunion

Die Europäische Kommission will die Waffengeschäfte der 27 Mitgliedsstaaten ankurbeln und zentral koordinieren

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»Es ist wirk­lich fan­tas­tisch, was die­ser Kon­ti­nent geschafft hat, als er sich von einem Kon­ti­nent des Krie­ges zu einem Kon­ti­nent des Frie­dens wan­del­te.« Mit die­sen Wor­ten ver­lieh der Nor­we­ger Thorb­jörn Jagland im Dezem­ber 2012 den Frie­dens­no­bel­preis an die EU. Heu­te wäre die Uni­on kein Kan­di­dat mehr für die­se Aus­zeich­nung. Denn längst for­cie­ren Kom­mis­si­on und Mit­glieds­staa­ten die Mili­ta­ri­sie­rung des Staa­ten­bünd­nis­ses, trai­niert die EU aus­län­di­sche Sol­da­ten, lie­fert Waf­fen und Geld für Rüstungskäufe.

Jetzt soll Brüs­sel die Schnitt­stel­le der euro­päi­schen Auf­rüs­tung wer­den, wie der fran­zö­si­sche Blog »Bruxelles2« mel­de­te. So soll es den Län­dern leich­ter gemacht wer­den, sich zusam­men­zu­schlie­ßen, um gemein­sam ein­zu­kau­fen. Damit will man die gewünsch­te »stra­te­gi­sche Auto­no­mie« der EU vor­an­trei­ben. Das gilt sowohl für die Ent­wick­lung von Waf­fen­sys­te­men als auch für deren Erwerb. Dazu wol­le die Kom­mis­si­on nach »Inves­ti­ti­ons­lü­cken im Ver­tei­di­gungs­be­reich« suchen. Zukünf­tig soll es dafür eine zen­tra­le Beschaf­fungs­stel­le geben.

Die Nach­rich­ten­agen­tur »Bloom­berg« zitiert aus einem Doku­ment, wonach es einen gan­zen Instru­men­ten­kas­ten geben soll, aus dem sich rüs­tungs­wil­li­ge Staa­ten bedie­nen dür­fen. »Es wür­de dem Block ermög­li­chen, die gemein­sa­me Ent­wick­lung, Beschaf­fung und das Eigen­tum an Ver­tei­di­gungs­gü­tern über den gesam­ten Lebens­zy­klus hin­weg zu koor­di­nie­ren und Anrei­ze dafür zu schaf­fen«, so »Bloom­berg«.

Noch nicht ganz klar ist, wel­che Instru­men­te tat­säch­lich zum Ein­satz kom­men sol­len. Die ent­spre­chen­den Dis­kus­sio­nen lau­fen hin­ter den Kulis­sen. Wich­tigs­tes Ziel ist wohl, die Rüs­tungs­de­als außer­halb des regu­lä­ren Haus­halts abzu­wi­ckeln. Zudem will man die Euro­päi­sche Inves­ti­ti­ons­bank zum Finan­zie­rungs­in­stru­ment für die Geschäf­te machen. Bis­lang war es der Bank ver­bo­ten, Waf­fen­ge­schäf­te zu beglei­ten. Der Finanz­be­darf ist jeden­falls rie­sig. In dem »Bloom­berg« zuge­spiel­ten Doku­ment heißt es, dass die Mit­glieds­staa­ten ihre Ver­tei­di­gungs­haus­hal­te in den kom­men­den Jah­ren um fast 200 Mil­li­ar­den Euro auf­sto­cken werden.

Vie­le der Plä­ne schlum­mern schon lan­ge in den Schub­la­den der euro­päi­schen Geo­stra­te­gen. Der Ukrai­ne­krieg bie­tet einen will­kom­me­nen Anlass, sie schnell umzu­set­zen. Bereits im Janu­ar 2022, also noch vor Kriegs­be­ginn, hieß es in einem ent­spre­chen­den Pla­nungs­pa­pier der Kom­mis­si­on: »Im aktu­el­len geo­po­li­ti­schen Kon­text ist die EU bestrebt, mehr Ver­ant­wor­tung für ihre eige­ne Sicher­heit zu über­neh­men und ihre Rol­le als geo­po­li­ti­scher Akteur zu stär­ken. Wie in der Rede zur Lage der Uni­on von Prä­si­den­tin von der Ley­en ange­kün­digt, wird sich die Kom­mis­si­on im Jahr 2022 ins­be­son­de­re auf die Stär­kung der Rol­le der EU im Bereich der Sicher­heit und Ver­tei­di­gung kon­zen­trie­ren und auf eine enge­re Euro­päi­sche Ver­tei­di­gungs­uni­on hinarbeiten.«

Ein bereits funk­tio­nie­ren­des Instru­ment ist hier der Euro­päi­sche Ver­tei­di­gungs­fonds (EEF). Die­ser Fonds sub­ven­tio­niert EU-Rüs­tungs­kon­zer­ne und unter­stützt »die For­schung und Ent­wick­lung von Ver­tei­di­gungs­pro­duk­ten«. Ein feuch­ter Traum für Rüs­tungs­ma­na­ger und Aktio­nä­re der Waf­fen­schmie­den. Bis­lang aller­dings ent­pupp­ten sich die EU-Rüs­tungs­pro­jek­te, wie das Trans­port­flug­zeug A400 oder der Euro­figh­ter, stets als Mil­li­ar­den­grä­ber – und die mit jah­re­lan­ger Ver­spä­tung pro­du­zier­ten Waf­fen­sys­te­me oft als nur bedingt einsatzfähig.

Wie dem auch sei: Die Wei­chen für eine aggres­si­ve­re Uni­on hat­te man bereits im März gestellt, als die Außen- und Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter der EU die gemein­sa­me Mili­tär­stra­te­gie ver­ab­schie­de­ten. Mit die­sem »stra­te­gi­schen Kom­pass« wird die Uni­on kei­nen Frie­dens­no­bel­preis mehr gewin­nen. Er defi­niert die geo­po­li­ti­schen Kon­kur­ren­ten und ebnet den Weg für eine welt­wei­te Mili­tär­prä­senz. Beim aktu­el­len Ukrai­ne­krieg zeigt sich bereits: Die EU setzt nicht mehr auf Diplo­ma­tie, son­dern auf Krieg bis zur Nie­der­la­ge Russ­lands. Die Uni­on spre­che nun »die Spra­che der Macht«, ver­kün­de­te der EU-Außen­be­auf­trag­te Josep Bor­rell kürzlich.

Özlem Alev Demi­rel, außen- und frie­dens­po­li­ti­sche Spre­che­rin der Lin­ken im Euro­pa­par­la­ment, beob­ach­tet die Ent­wick­lung mit gro­ßer Sor­ge: »Die­se Auf­rüs­tungs­spi­ra­le dient nicht dem Sicher­heits­be­dürf­nis der Men­schen, son­dern birgt die Gefahr neu­er mili­tä­ri­scher Aus­ein­an­der­set­zun­gen und erhöht die Bereit­schaft zum Krieg.«

Der Beitrag ist auch in der Zeitung  „nd.DerTag/nd.DieWoche“ erschienen.

Ein Artikel von Fabian Lambeck

Fabian Lambeck

Fabian Lambeck arbeitet als Journalist mit Schwerpunkt Europäische Union in Brüssel.

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