Es wird Zeit, die Klima-Notbremse zu ziehen
Die nächste Bundesregierung muss Nord Stream 2 stoppen. Und: Wer sich gegen die Pipeline stellt, sollte sich genauso entschieden gegen Fracking-Gas stellen. Ein Meinungsbeitrag von Annemarie Botzki
Die jetzige Bundesregierung ist fest entschlossen, das größte, neue, europäische Klima-Killer Projekt fertig zu stellen. Das ist Klimapolitik der CDU-Ära.
Da kämpfen Bundeskanzlerin Merkel (CDU) und Bundesfinanzminister Scholz (SPD) eng und entschlossen zusammen für die Fertigstellung der Nord-Stream-2-Leitung. Nichts kann sie abschrecken – weder Menschenrechtsverstöße in Russland noch Mordversuche an Oppositionellen wie Alexei Nawalny. Nichts ist zu teuer – Scholz versucht sogar mit Milliardenversprechen für US-amerikanisches Fracking-Gas den Verzicht auf US-Sanktionen zu erkaufen.
Die nächste Bundesregierung muss ein klares Zeichen gegen neue fossile Infrastruktur setzen und das Projekt stoppen. Nur so kann glaubwürdige Klimapolitik begonnen werden. Insbesondere wenn die Grünen mit der Kanzlerkandidatin Baerbock an die Macht kommen.
Wohlgemerkt, es gibt bereits eine Leitung, die seit Jahren Erdgas aus Russland nach Deutschland liefert. Das Gas wird hier verbrannt und erhitzt das Weltklima. Auch für diese Leitung braucht es einen Abschaltplan. Aber zunächst gilt Klima-Schadensbegrenzung. Die Fertigstellung der zweiten Leitung muss aufgehalten werden. Es braucht klare Entscheidungen gegen neue Gasinfrastruktur.
Aber trotz bereits spürbarer Klima-Auswirkungen soll noch mehr Gas fließen. Groko-Klimapolitik heißt also nicht, Solarkapazität zu verdoppeln. Nein, Gasleitungen werden verdoppelt.
Dass solche fossilen Projekte mit Macht durchgedrückt werden, liegt an dem Marketing Coup der Gas-Lobby. Während Klimaschützer*innen weltweit Widerstand gegen Kohle organisiert haben, hat die Gasindustrie Politiker*innen in Aufsichtsräte berufen. Mit simulierten Studien, glänzenden Broschüren und Gas-Galas hat die Industrie ihre grün gewaschenen Behauptungen unterstrichen: Gas sei eine unabdingbare Brückentechnologie. Und darauf fallen viele rein.
Dabei sieht es eigentlich anders aus. Seit Jahren ist klar, dass die Pipeline eine Klimakatastrophe ist. Neue wissenschaftliche Studien zeigen, dass die Methanemissionen aus der Erdgasproduktion viel höher sind als bisher angenommen und zu einem Anstieg der globalen Emissionen geführt haben. Der Hauptbestandteil des Erdgases, Methan, wirkt deutlich stärker in der Atmosphäre als CO2 – vor allem in den ersten zwanzig Jahren nach der Freisetzung, wenn es 87-mal klimaschädlicher als CO2 ist.
Das Polareis schmilzt bereits, Sibirien brennt und Methan kurbelt eine Kettenreaktion in den Klima-Abgrund an.
Zudem verletzt die Russische Regierung die Rechte der indigenen Bevölkerung an den Produktionsstätten. Es gibt keine Bemühungen Russlands, das Weltklima zu schützen. Es geht um Machterhalt und dieser beruht zu einem bedeutenden Teil auf Öl und Gas. Es wird produziert und verkauft, wofür es weltweit Abnehmer findet.
Wer jetzt hierzulande behauptet, es bräuchte neue, zusätzliche fossile Infrastruktur, hat falsch geplant und handelt fahrlässig. Solche neue Infrastruktur ist das Gegenteil von Sicherheit, sie gefährdet unsere noch stabilen Lebensgrundlagen.
Konzernen, die den Bau von Infrastruktur beginnen, kann nicht automatisch das Recht zur Fertigstellung gegeben werden, wenn völkerrechtlich bindende Verträge, wie z.B der Pariser Klimavertrag in der Zwischenzeit unterzeichnet werden. Sorry Gazprom und Wintershall & Co.
Es wird Zeit, die Klima-Notbremse zu ziehen. Mitglieder des Europäischen Parlaments fordern die sofortige Einstellung des Pipelinebaus. Frankreich hat sich dagegen ausgesprochen. Auch die USA sprechen sich klar gegen die Leitung aus, haben dabei aber eindeutige, wirtschaftliche Interessen. Sie wollen mehr US-Gas exportieren. Ex-Präsident Trump titelte das durch die gefährliche Fracking Gastechnologie gewonnene Gas als “freedom gas” und kündigte an: “We will be dominant”. Starkes Marketing halt. Wer sich gegen Nord Stream 2 stellt, sollte sich also genauso klar und entschieden gegen Fracking-Gas stellen.
Nord Stream 2 zementiert die Macht der Konzerne und Autokraten wie Putin. Es ist eine bewusste Entscheidung der Merkel-Regierung, diese Abhängigkeit sogar noch auszuweiten. Sicherer und effizienter ist die Energie vor Ort zu produzieren.
Was wir brauchen, ist eine dezentrale Energiewende. Demokratisch und genossenschaftlich können Solaranlagen gebaut werden. Gewinne und Zinsen fließen dann wieder zurück an Mitglieder und nicht an große Konzerne. So profitieren Menschen direkt vor Ort. Denn natürlich haben die Gas- Liebhaber*innen recht: Wir brauchen Wärme, und Gas liefert diese. Noch. Die Wärmewende muss umgesetzt werden. Es wird höchste Zeit, klimaneutral zu heizen.
Geld ist da. Die Gasleitung kostet rund 9,5 Milliarden Euro. Dafür könnte man 1,9 Million mittelgrosse Dächer mit Solar, oder knapp 1 Millionen Häuser mit Wärmepumpen ausstatten. Man könnte beginnen, Klima-Entschädigungen zu zahlen, an die Länder, die so gut wie nichts zur Klima Erhitzung beigetragen haben, aber jetzt schon Dürren, Überflutungsschäden oder extreme Stürme erleben.
Noch können wir das größte, neue Klima-Killer Projekt aufhalten.
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