Erfolgsmodell KPÖ

Mit einer auf die Interessen der Menschen zugeschnittenen Kommunalpolitik fahren Österreichs Linke Erfolge ein – und gewinnen wieder an Bedeutung

Solidaritätskonferenz der KPÖ im November. Vorn links: Kay-Michael Dankl, vierte von links Elke Kahr © KPÖ

Blickt man auf linke Parteien in Europa, machte in diesem Jahr vor allem die Kommunistische Partei Österreichs von sich reden. Das hat seine Gründe.

Die Entwicklung von Linksparteien in Europa nach Ende des Realsozialismus gleicht einem stetigen Auf und Ab. Gewinnt die eine an Zustimmung, verliert die andere an Einfluss. Verzeichnet eine Partei einen Stimmenzuwachs, spaltet sich eine andere in verschiedene Flügel. Schaut man auf die linke Parteienlandschaft in den verschiedenen europäischen Ländern, sticht in der jüngsten Zeit insbesondere eine Partei mit ihren Erfolgen heraus: die Kommunistische Partei Österreichs.

Erfolge auf regionaler Ebene

Tatsächlich ist der Aufschwung der KPÖ unübersehbar – zumindest auf regionaler und kommunaler Ebene. In der steierischen Landeshauptstadt Graz holte sie bei der Wahl im September 2021 über acht Punkte mehr als bei der vorangegangenen Abstimmung 2017 und lag mit knapp 29 Prozent auf dem ersten Platz. Seitdem stellt sie die Bürgermeisterin. Im Salzburger Land kam das Bündnis KPÖ+ in diesem Frühjahr auf über elf Prozent – das beste Ergebnis, das die Partei jemals bei Landtags- und Nationalratswahlen erreicht hat. Und in der Landeshauptstadt Salzburg selbst wurde sie mit 21,51 Prozent zweitstärkste Kraft hinter der konservativen Volkspartei (ÖVP). Unmittelbar nach diesem Ergebnis erzielte die KPÖ bei bei bundesweiten Umfragen sieben Prozent auf nationaler Ebene – was den Einzug in den Nationalrat bei der im Herbst 2024 anstehenden Wahl bedeuten würde.

Dabei hatte die KPÖ wie nahezu allen europäischen Linksparteien nach dem Ende des Realsozialismus mit großen Problemen zu kämpfen. Einerseits hatte sie gute Beziehungen zu den sozialistischen Staaten und ihren führenden Parteien gepflegt – was mitunter bei der Anbahnung von Geschäften oder staatlichen Kontakten hilfreich war. Andererseits war sie zwar nach dem Einmarsch von sowjetischen Truppen in Prag 1968 auf Distanz zu Moskau gegangen, ordnete sich aber später wieder der von Moskau vorgegebenen Linie unter.

Mit der Rolle als Türöffner war es allerdings nach dem Ende der sozialistischen Staaten ebenso vorbei wie mit der gesellschaftlich Reputation der KPÖ, die im Gegensatz zu vielen anderen linken Parteien an ihrem Namen festhielt. Mit zeitweise nur 2500 Mitgliedern trat sie nach 1990 immer wieder bei nationalen Parlamentswahlen an – blieb jedoch unter der ein-Prozent-Marke. Als „fast schon masochistisch“ bezeichnete Walter Baier, der von 1994 bis 2006 die Partei führte und auf Reformkurs brachte, dieses Vorgehen.

Partei hat mit Dogmen gebrochen

Für den Aufschwung der KPÖ sieht Baier, der heute Präsident der Partei der Europäischen Linken ist, eine Art Dachverband linker und anderer progressiver Parteien in Europa, drei Hauptgründe. So habe sich die KPÖ komplett erneuert und mit alten Dogmen gebrochen. Zum Anderen sei die KPÖ seit inzwischen vielen Jahren in der Kommunalpolitik verankert und könne dort mit innovativen, glaubwürdigen und realistischen Konzepten aufwarten, sagt Baier. Ein Modell übrigens, mit dem auch Linksparteien in Belgien und Irland Erfolge erzielen. Zum Dritten, und dies sei eine Entwicklung der jüngsten Vergangenheit, habe die KPÖ den progressiven Jungen Grünen eine neue politische Heimat gegeben und sie in führende Positionen der Partei gebracht. Auch Cornelia Hildebrandt, die sich als Ko-Präsidentin der linken europäischen „Denkfabrik“ „transform! europe“ aus wissenschaftlicher Sicht mit der Entwicklung progressiver Parteien beschäftigt, sieht das so. Sie spricht hinsichtlich der KPÖ von einer sich neu formierenden Partei, die sich mit aktivistischen feministischen Milieus, Kulturarbeiter*innen, Vertreter*innen von Antifa- und Umweltgruppen, migrantischen Organisationen, mit grünen und sozialdemokratischen Jugendstrukturen bis hin zu trotzkistischen und autonomen Gruppierungen verbindet und sich diesen öffnet. „Ihren wirklichen Aufbruch jedoch hat die KPÖ dem jahrelangen kommunalpolitischen Engagement und ihrer kommunalen Verankerung in Graz zu verdanken, wo sie seit 2021 die Bürgermeisterin stellt“, konstatiert Hildebrandt.

In der zweitgrößten Stadt verfolgt die KPÖ – und deren Bürgermeisterin Elke Kahr – seit Jahren eine Politik, die klar auf regionale Aspekte setzt und konsequent die Interessen der Bürgerinnen und Bürger in den Mittelpunkt stellt. „Das sind vor allem sozialpolitische Themen, die Gesundheits- und Verkehrspolitik, aber auch Ökologie und Integration der migrantischen Bürger*innen und Strukturen“, sagt Kahr im Gespräch mit „nd“. Wichtig ist der Bürgermeisterin dabei auch der direkte Kontakt mit dem Menschen in „ihrer“ Stadt. „Egal, mit welchen Anliegen und Problemen Bürger*innen zu mir ins Rathaus kommen, jeder findet hier eine offene Tür“, betont sie.

Siegeszug in Salzburg

Mit dem selben Rezept hat die KPÖ auch bei den Wahlen im Frühjahr im Salzburger Land Erfolge einfahren können. Der erst 35 Jahre alte Newcomer Kay-Michael Dankl, früherer Bundesvorsitzender der Jungen Grünen, stellte mit seinem Team das Thema Wohnen in den Mittelpunkt seiner Politik und seines Wahlkampfs. In Salzburg fehlen Tausende bezahlbare Wohnungen, zugleich werden viele Unterkünfte aus Spekulationsgründen nicht vermietet. In Österreich ist der Filz von Politik und Bauwirtschaft dicht – der Unternehmen Richard Lugner, auch „Beton-Lugner“ genannt, der zum Wiener Opernball die Prominenz beider Seiten vereint, steht fast symbolisch für diese Liaison.

Ob es die KPÖ tatsächlich in den Nationalrat schafft, bleibt trotz aller Höhenflüge abzuwarten. Sollte es ihr gelingen, könnte sie dort zumindest ein kleines Gegengewicht zu den Rechten bilden. Die Rechtsaußenpartei FPÖ steht in den Umfragen bei 30 Prozent – und damit mit großem Abstand an der Spitze.

Ein Artikel von Uwe Sattler

Uwe Sattler

Uwe Sattler ist Herausgeber von „die-zukunft.eu“ und inhaltlich für die Plattform verantwortlich. Der Journalist gehört zudem der Redaktionsleitung der Tageszeitung „nd.DerTag"/"nd.DieWoche" an.

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