Verstopfungen und Ratsgipfel

Deutsche haben’s mit dem Darm, Franzosen mit dem Größenwahn: Auch die letzte Staffel von „Parlament“ nimmt Klischees aufs Korn – und vermittelt einige realistische Einblicke ins System EU

Darsteller:innen von „Parlament“, Produzent und ARD-Verantwortliche beim Pressegespräch in Berlin © Sattler

Die vierte – und letzte – Staffel der internationalen Satire über das Europaparlament ist nun verfügbar. Und vermittelt ganz nebenbei noch viel Wissenswertes über die EU und ihre Machtkreise.

Die Nachhilfe in Sachen Europa beginnt gleich in der ersten Minute. Eine Chinesin in Brüssel – von ihrer Profession Abhörexpertin, wie sich später herausstellen soll – bekommt von ihrer Vorgesetzten im Schnelldurchlauf Strukturen und Mechanismen der EU erklärt. Europäisches Parlament und Kommission, Ratstreffen und Europa-Gipfel, rote Zone, Botschafter-Komitee, Generaldirektionen, Hinterzimmerrunden: „Das ist Demokratie, ein völlig absurdes System.“

Das Erklärstück, noch nicht einmal zwei Minuten lang, ist auch in der viertel Staffel der mit Preisen überhäuften belgisch-französisch-deutschen Serie „Parlament“, in der es um die Karriere des jungen Franzosen Samy im europäischen Gefüge geht, Standard. Legendär, wie ein neuer Parlamentspräsident ausgeklügelt wird (er darf „keine Hausmacht haben und von nichts Ahnung“) oder wie Parlamentsassistent Torsten dem Neuzugang Samy mit Hilfe einer raumfüllenden Rube-Goldberg-Maschine die Besetzung europäischer Spitzenposten darstellt.

In der aktuellen vierten Staffel ist Vormals-Parlaments-Praktikant Samy, der mit großen Ambitionen im Umweltbereich antrat, inzwischen die Karriereleiter nach oben geklettert und als Beamter in der EU-Kommission angekommen. Und tritt auch dort tief ins Fettnäpfchen. Etwa als er – eher zufällig – seine Idee eines europäischen FBI für Umweltkriminalität vor der Presse ausbreitet und das offizielle Brüssel in hektische Betriebsamkeit versetzt, um das Hirngespinst wieder einzufangen. Oder als er ernsthaft glaubt, dieses Spezialthema in der von ihm geleiteten Expertenrunde einzubringen zu können. Dort scheint der Markenschutz von Halloumi-Käse oder die Betonung der Ehe allein zwischen Frau und Mann deutlich wichtiger.

Der Missverständnisse gibt es nicht wenige in den jüngsten zehn Folgen von „Parlament“. Zum Beispiel, als der französische EU-Botschafter einen jungen Mitarbeiter auf eine deutsche Assistentin „ansetzt“, um die Position Berlins zu beeinflussen („Was wirklich zählt, ist, dass die Deutschen uns gern haben“). Die spricht beim arrangierten Dinner allerdings permanent über ihre Verdauungsprobleme – was der Franzose jedoch als Metapher für politische Positionen nimmt.

Wie in den bisherigen Staffeln seit 2020 sind abermals die bekannten Charaktere zu erleben: die karrieregeile Französin Valentine, die etwas hinterhältige britische Bloggerin Rose, Magda, die fleißige polnische Journalistin, die hartleibige deutsche Abgeordnete Gesine Breschenschneider und ihr Landsmann, der einfältige Parlamentspräsident Konrad Stracke (die drei letzteren werden von den Deutschen Barbara Krzoska, Martina Eitner-Acheampong und Martin Brambach dargestellt). Die selbstverliebten EU-Spitzenpolitiker*innen spielen sich übrigens selbst. Denn erstmals wurde die Serie direkt während eines echten Ratsgipfels gedreht.

Trotz der teilweise deftigen Spitzen gegen das EU-Establishment hatten die Produzenten von „Parlament“ von den europäischen Institutionen keine Steine in den Weg gelegt bekommen. Im Gegenteil: Nicht wenige EU-Beamt*innen und Journalist*innen tauchten sogar als Komparsen auf oder gaben Hilfestellung, wie Eitner-Acheampong bei einem Gespräch zum Start der vierten Staffel erzählte. Und Brambach bedauerte gegenüber „nd“ zwar, dass er gern die „echte“ Parlamentspräsidentin getroffen hätte, eine Begegnung aber nicht zustande kam (allerdings habe Roberta Metsola einige Folgen gesehen, hieß es). Der Film-Präsident räumte jedoch freimütig ein, dass er viel gelernt habe über das „System EU“ und manche Schwierigkeiten auf europäischer Ebene nun besser nachvollziehen könne.

Ohnehin gab es in der Presserunde viel Lob für den „Bildungsauftrag“ der Serie, auch dafür, dass diese zweisprachig verfügbar ist. Und soweit her geholt sind einige Klischees gar nicht, wie die Chef*innen der Vertretungen von EU-Kommission und -Parlament in Deutschland, Barbara Gessler und Georg Pfeifer, bei einer Podiumsdiskussion einräumten. Wirklich brisante Themen klammert „Parlament“ allerdings aus. Zwar kommt sogar der Rechtsruck in Europa am Rande vor, solche Fragen wie die Migrations- und Asylpolitik findet man in der Serie aber nicht.

Die Geschichte von Samy ist mit der vierten Staffel nun „auserzählt“, wie Produzent Jan Diepers mitteilte. Er hoffe aber, dass das Thema weiter verfolgt werde. Der Meinung waren auch die anderen Schauspieler*innen. Wie sagte Brambach so schön? „Europa ist eine Frage, auf die es keine Antwort gibt. Aber die Suche danach dürfen wir nicht aufgeben.“

„Parlament“, Staffel 4, ARD-Mediathek, ONE und andere

Ein Artikel von Uwe Sattler

Uwe Sattler

Uwe Sattler ist Herausgeber von „die-zukunft.eu“ und inhaltlich für die Plattform verantwortlich. Nach zwölf Jahren in der Redaktionsleitung der Tageszeitung „nd.DerTag"/"nd.DieWoche" ist der Journalist Mitglied des Vorstands der nd.Genossenschaft eG.

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