Mission IRINI: 300 Bundeswehr-Soldaten gegen Geflüchtete im Mittelmeer

Deutschland will bei der EU-Mission IRINI mitmischen, der Bundestag entscheidet am Donnerstag. Das verheißt nichts Gutes, meint die Europapolitikerin Özlem Alev Demirel

© imago images

Laut Angaben des EU-Rates soll die im Mittelmeer angesiedelte Militärmission IRINI der »Überwachung« des Waffenembargos gegen Libyen dienen, als »Nebenaufgabe« wird die Unterstützung des »Kapazitätsaufbaus« der libyschen Küstenwache und Marine ebenso aufgeführt wie die »Zerschlagung des Geschäftsmodells der Schleuser- und Menschenhändlernetze«. Die gleichen Ziele verfolgte angeblich bereits die Operation SOPHIA – mit verheerenden Folgen.

Über SOPHIA wurden, so berichtete es unter anderem der britische »Guardian«, Aufenthaltsorte von Migrant*innen ausgespäht – und diese wurden dann von der EU an die libysche Küstenwache weitergegeben. Migrant*innen wurden auf dieser Grundlage im Mittelmeer aufgegriffen und in Lager nach Libyen verfrachtet, wo sie schwersten  Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt waren. Bei der Migrationsabwehr ist offenkundig jedes Mittel recht, denn IRINI wird diese Praxis nun unter deutscher Beteiligung fortführen.

Diese deutsche Beteiligung begründen Außenminister Heiko Maas (SPD) und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) übrigens mit der 2017 verabredeten »substanziellen Unterstützung« im Rahmen der PESCO-Zusammenarbeit von 25 EU-Staaten.

Die »ständige strukturierte Zusammenarbeit« von EU-Militäreinsätzen, dafür steht PESCO, ist das Herzstück europäischer Aufrüstungs- und Militärpolitik und wird vor allem von Deutschland und Frankreich vorangetrieben. Vereinbart ist dort unter andrem auch eine stetige Erhöhung der Rüstungsausgaben. Eine Verpflichtung zur Teilnahme der Bundeswehr an der IRINI-Mission lässt sich allerdings selbst aus den PESCO-Verabredungen nicht ableiten.

Der angebliche »Hauptauftrag« der IRINI-Mission, also die Durchsetzung des Waffenembargos, dürfte ohnehin nicht erfüllbar und eher vorgeschoben sein. Zum einen lässt sich ein Waffenembargo kaum auf dem Seeweg überwachen, da die Truppenversorgung General Khalifa Haftars hauptsächlich über den Landweg erfolgt, zum anderen sind EU-Staaten im Hintergrund Kriegsparteien – und zwar auf beiden Seiten: Italien auf der Seite der libyschen »Regierung«, Frankreich an der Seite der Truppen Haftars.
Beide sind an der IRINI-Mission beteiligt und orientieren sich jeweils an den Interessen ihrer Ölkonzerne: der französische TOTAL-Konzern und der italienische ENI-Konzern kämpfen seit Jahren um Gas- und Öl-Deals. Die Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate wiederum brechen regelmäßig das Waffenembargo mit der Weitergabe von auch aus der EU bezogenen Waffen nach Libyen. Ein Verbot von Rüstungsexporten an die Türkei und die Emirate wäre also eine wesentlich effektivere Maßnahme zur Durchsetzung des Waffenembargos als die IRINI-Mission.

Eine verworrene Situation also, in der Deutschland entscheidend mitmischen möchte. Gutes verheißt das nicht. Die FAZ fabulierte bereits Ende Januar, kurz nach der Berliner Libyen-Konferenz, dass Deutschland nun »mehr Verantwortung für die Zukunft des Landes übernommen« habe. »An beidem«, so die FAZ, »an der Herstellung von Sicherheit wie an der Konstruktion eines libyschen Gemeinwesens, wird Deutschland sich maßgeblich beteiligen müssen«.

Militärmissionen und Menschenrechtsverletzungen verheißen das Gegenteil von Sicherheit, eine demokratische Entwicklung Libyens ist durch die militärische Einmischung der EU-Staaten nicht wahrscheinlicher geworden, sondern in noch weitere Ferne gerückt.

Ein Artikel von Özlem Demirel

Özlem Demirel

Özlem Alev Demirel (LINKE) ist Mitglied des Europäischen Parlaments. Sie ist u.a. im Unterausschuss für Sicherheit und Verteidigung sowie im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten tätig. Sie gehört zudem dem Ausschuss für Beschäftigung und Soziales an.

Sie wollen Kontakt zu uns aufnehmen?

die-zukunft.eu freut sich auf Ihre/auf Eure Vorschläge für Beiträge zur Debatte über ein anderes Europa. Bitte geben Sie Ihren Namen, die Organisation sowie eine Kontaktadresse an.