Umweltpolitik: „Die EU-Kommission ist dabei, große Schandtaten vorzubereiten“
Carola Rackete und Sebastian Everding über ihre ersten Wochen als Abgeordnete des Europaparlaments, die Agrarpolitik, Tierschutz, Ökologie – und mächtige Lobbyisten

Carola Rackete (für DIE LINKE) und Sebastian Everding (Partei Mensch-Umwelt-Tierschutz) gehören seit Juni 2024 dem Europaparlament an und sind Mitgleider der Fraktion THE LEFT im EU-Parlament. Sie arbeiten unter anderem in den Ausschüssen für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung sowie für Umwelt, Klima und Lebensmittelsicherheit.
Der Podcast wurde Ende Dezember 2024 aufgenommen und ist Teil der Reihe „Europa to go“, getragen von der Tages- und Wochenzeitung „nd“, die-zukunft.eu und »europa.blog«. Geführt haben das Gespräch Anne Schindler und Uwe Sattler. Der Text gibt Auszüge des Podcasts wider.
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Sebastian, du bist sozusagen ein Neuling im Europäischen Parlament. Als wir uns zum ersten Mal in Straßburg getroffen haben, bist du glaube ich mehrmals an mir vorbeigelaufen und hast die Pressebar gesucht. Mit anderen Worten: Du hattest ein bisschen Schwierigkeiten, dich zurechtzufinden. Findest du jetzt immer alles, wo du hinwillst?
Sebastian Everding: Zwischen dem Ausschuss und Sitzungen und dergleichen habe ich jetzt schon Nebenjobangebote angenommen und arbeite hier als Führer. Nee, Quatsch. Also ich finde mich ein bisschen besser zurecht. Strasbourg ist für mich immer noch eine Herausforderung, weil man einfach hier weniger ist. Also in Brüssel komme ich gut klar, in Strasbourg entdecke ich regelmäßig neue Räume, neue Gänge, neue Gebäudeteile – also es ist immer noch spannend für mich.
Sebastian, du bist als einziger Vertreter der Partei Mensch, Umwelt Tierschutz in der Fraktion The Left. Das scheint erst mal, als wärst du dort allein auf weiter Flur, denn man würde ja eigentlich denken, dass jemand, der von einer Tierschutzpartei kommt, irgendwie zu den Grünen gehören müsste. Oder täusche ich mich da?
Sebastian Everding: Dass ich der einzige deutsche Vertreter der Tierschutzpartei bin, bedaure ich natürlich auch ein bisschen. Wir hätten uns gerne noch größere Wahlergebnisse gewünscht. Kann ja alles noch kommen. Die Frage, in was für eine Fraktion wir gehen, haben wir uns ehrlich gesagt nicht leicht gemacht. Von unserer programmatischen Ausrichtung kamen ja immer nur Die Linke oder die Grüne-Fraktion grundsätzlich überhaupt infrage. Man muss dazu sagen, deutsche Tierschutzpartei bin ich alleine. Aber was die Allerwenigsten wissen, dass es ja in ganz Europa, auf der ganzen Welt viele Tierschutzparteien gibt. Und wir haben auch einen gemeinsamen Europawahlkampf gemacht. Und Anja Hasekamp von unserer niederländischen Schwesterpartei ist ja jetzt die dritte Wahlperiode ins Europaparlament gewählt worden und ist schon immer in der Left-Fraktion gewesen. Da hatten wir also so einen ersten Anknüpfungspunkt, auch durch Veranstaltungen vorher, dass da Kontakte immer schon da waren. Da muss man dazu sagen, ich war vorher in der Kommunalpolitik tätig, da in einer gemeinsamen Fraktion mit Linken und Piraten. Also auch da war eine gewisse Nähe. Und dann haben wir uns natürlich im Wahlkampf in vielen Punkten versucht, von den Grünen abzugrenzen. Seien es jetzt Tierschutzthemen, Klimaschutzthemen, dass halt unsere Planung, unsere Ziele weit über die der Grünen hinausgehen. Und da hätten wir es natürlich auch nicht richtig gefunden zu sagen, wir haben erst dagegen argumentiert, uns versucht abzugrenzen und dann gehen wir in die gleiche Fraktion. Ich habe aber auch Gespräche mit den Fraktionsvorsitzenden der Grünen vorher geführt, und es ist auch jetzt so, dass wir jetzt nicht verfeindet sind. Also ich habe sehr, sehr guten Kontakt zu vielen Mitgliedern der Grünen-Fraktion, und wir arbeiten themenbezogen auch sehr eng zusammen. Aber letztendlich ist dann die Entscheidung für die Left-Fraktion gefallen.
Carola, auch für dich ist es das erste Mal im Europäischen Parlament. Du bist über das Ticket der Linken ins Europaparlament gewählt worden und bist jetzt auch mit Sebastian zusammen in der Fraktion The Left. Wie wurdest du denn aufgenommen als Nicht-Parteimitglied, trotzdem mit klaren, linken Themen?
Carola Rackete: Also formal ist es so, dass ich ja auf der Liste von Die Linke in das Parlament gewählt wurde. Und Die Linke ist natürlich Mitglied in der Fraktion The Left. Und damit bin ich auch automatisch Mitglied geworden. Das heißt, ich musste jetzt keinen Aufnahmeantrag stellen und mir das groß überlegen. Und es ist sowieso natürlich ideologisch die Fraktion, zu der ich dazugehöre. Von dem her besteht vielleicht die Schwierigkeit eher darin, mit einem aktivistischen Hintergrund, mit dem klaren Fokus auf der Zusammenarbeit mit sozialen Bewegungen, dann in diesem institutionellen Raum irgendwie zurechtzukommen. Und da gibt es glaube ich innerhalb von The Left sehr unterschiedliche Leute. Leute, die mehr auf das Institutionale fokussiert sind und eben auch ein paar, die wie ich eher eng mit sozialen Bewegungen zusammenarbeiten wollen.
Carola, du hast es ja schon angesprochen – Aktivismus, Bündnisse außerhalb des Parlaments. Dazu würden wir nachher noch kommen. Aber vielleicht noch mal eine Frage, noch mal ein paar Monate zurück: Du bist bekannt geworden als Kapitänin bei der Rettung von Geflüchteten aus dem Mittelmeer, du hast dich sehr stark auf diesem Gebiet engagiert und hast aber schon relativ frühzeitig auch im Wahlkampf deutlich gemacht, dass deine Themen im Europäischen Parlament vor allem Umweltpolitik, Klimapolitik als auch die Landwirtschaft sein werden. Hast du damit sehr viele überrascht, oder wurde an dich auch herangetragen, dass diese Positionierung für diese Themenbereiche doch etwas überraschend für viele gewesen ist?
Carola Rackete: Also es mag einige Leute überrascht haben, weil natürlich die öffentliche Person, die ja in der Realität gar nicht existiert – also die öffentliche Person ist ja immer eine Art Theaterperson, oder so ein Gespenst irgendwie, was es gar nicht wirklich gibt – und die reale Person passen ja überhaupt gar nicht zusammen an vielen Stellen. Und dass das viele Leute natürlich nicht wissen, ist, dass ich einen Master in Naturschutzmanagement habe, dass ich damit also Ökologin bin und dass ich auch in der Zeit vorher, wo ich noch zur See gefahren bin, einfach viel Zeit auf Forschungsschiffen verbracht habe und Wissenschaftler, hauptsächlich Ozeanografen, Klimafolgenforschern usw. gesprochen habe. Also für mich ist in dieser Situation vor allem als Ökologin auch total klar, dass wir dringend die Themen Artenschutz und den Kollaps der Ökosysteme in dieses Parlament bringen müssen und dass es auch die Themen sind, wo ich mich besser auskenne.
Apropos besser auskennen, du kennst dich bei beiden Themen aus. Ich glaube aber, es gibt auch eine ganze Menge Parallelen zwischen dem großen Thema Migration, will ich es jetzt mal nennen und den Bereichen Umwelt- und Klimapolitik, oder täusche ich mich da jetzt sehr?
Carola Rackete: Natürlich gehört das komplett zusammen. Also wir wissen ja auch schon lange, dass durch die industrielle Gesellschaft, die wir haben, überall auf der Welt Verschmutzung, Zerstörung usw. nicht zuletzt durch die Treibhausgase, aber eben auch viele Landstriche komplett unbewohnbar werden und die Menschen zur Flucht gezwungen sind. Also sich nicht nur teilweise freiwillig dazu entscheiden, weil sie Sicherheit suchen, sondern auch dazu gezwungen sind. Und ich möchte noch mal ein aktuelles Beispiel einfach erzählen, was Migration mit Landwirtschaft zu tun hat, weil ich gerade vor ein paar Tagen in Süditalien, in Kalabrien, war und dort ein Camp, wirklich ein Zeltlager, praktisch gesehen habe, wo fast 1000 Menschen leben. Und das sind fast alles Menschen aus Subsahara-Afrika. Viele von denen haben Papiere in Italien und die arbeiten in der Landwirtschaft. Und zwar leben sie dort in einem Zeltlager ohne Strom und Wasser. Außerhalb der Stadt, komplett abgegrenzt von allem Zugang zu irgendwelchen öffentlichen Dienstleistungen, zu einem Bus oder zu sonst irgendwas, mit Verträgen, die einfach nur korrupt und an vielen Stellen illegal sind. Unter Arbeitsbedingungen, die wir uns überhaupt nicht vorstellen können. Die Leute haben keine Chance, sich dagegen zu wehren. Und da kann ich einfach nur sagen, wenn ich mir denke, jetzt soll ich noch eine Tomate aus Italien kaufen, da wird mir einfach total schlecht dabei. Wenn ich denke, dass das die Arbeitsbedingungen sind. Und das geht aber nur, weil die Landwirtschaft total abhängig von extrem billigen Arbeitskräften ist. Und die Preise, die die großen Supermarktketten einfordern, so haben mir das auch die Leute in Italien erzählt, sind einfach mit gut bezahlter Arbeit nicht zu halten. Und das führt einfach zu einer krassen Ausbeutung, die eben natürlich hauptsächlich auf Migrantinnen und Migranten abgewälzt wird, weil die sich am allerwenigsten dagegen wehren können. Also ich kann davon nur sagen, die Zustände in diesem Camp bei Rosano waren absolut katastrophal, ich habe so was Schlimmes wirklich, seit ich in Calais war, nicht mehr gesehen. Und es ist aber nicht ein Fall von Italien, es ist auch in Spanien so, es ist auch in vielen anderen Ländern so, wo die Landwirtschaft migrantische Arbeitnehmerinnen komplett ausbeutet.
Sebastian Everding: Ich nicke jetzt ganz doll. Weil man kann den Bogen jetzt auch noch größer spannen: Das eine ist die Ausbeutung von Menschen auf unmenschliche Art und Weise. Aber wenn man das jetzt größer noch sieht, ist natürlich auch Einsätze von Pestiziden und Pflanzenschutzmitteln, oder gerade, wenn man den Bereich Tierindustrie sieht, von Pestiziden, da leidet die Umwelt, das Klima massiv drunter, die Menschen, die die Giftstoffe ausbringen müssen und natürlich auch die Tiere. Also das, was Carola sagt, stimmt absolut, und das vermisse ich teilweise auch im Parlament so ein bisschen, dass so der Blick auf das Gesamte, die Zusammenhänge der einzelnen Bereiche, dass gesagt wird, wir müssen was gegen Klimaschutz machen, wir müssen unsere Landwirtinnen und Landwirte entschädigen, wir müssen Fischer entschädigen, wir müssen höhere Dämme bauen. Aber es werden irgendwie nie die Zusammenhänge gesehen und versucht, an den Ursachen etwas zu machen.
Daran würde jetzt auch meine Frage an euch beide tatsächlich anschließen. Ihr habt ja beide keine Nischenthemen, weil sie zentral und wichtig sind. Aber ihr seid beide alleinige oder einzelne Vertreter in The Left, die diese Themen bearbeiten. Mit Verbündeten natürlich. Was sind denn eure zentralen Ziele, also wo habt ihr gesagt, das würde ich gern in diesen Jahren im Europaparlament, in dieser ersten Amtsperiode besonders in den Fokus stellen und wo würdet ihr eigentlich gerne eure Akzente setzen?
Sebastian Everding: Also eigentlich, man muss unterscheiden, sage ich mal, zwischen der ganz, ganz langen Liste – ich meine, wir haben ein großes Europawahlprogamm aufgestellt, wo wir auch immer betonen müssen, dass wir zwar die Tierschutzpartei als Kurzname sind, aber als Langname die Partei Mensch, Umwelt, Tierschutz, also dass wir einfach die verschiedenen, miteinander zusammenhängenden Aspekte sehen. Das heißt also, es gibt zig Hunderte Themen, die uns wichtig sind. Wenn man jetzt sagen müsste, durch meine Tätigkeit, ich habe ja den vollen Sitz im Agrarausschuss und eine Stellvertretung im Umwelt- und im Fischereiausschuss. Deswegen kann man schon manche Themen, die uns auch wichtig sind, die ich aber nicht in die, wo ich nicht in den entsprechenden Ausschüssen bin, ich würde ganz klar sagen, das ist einfach eine Agrarwende, weg von Massentierhaltung, vielleicht mehr Richtung kleinbäuerliche Strukturen, eine massive Reduzierung vom Einsatz von Pestiziden, raus aus der Massentierhaltung, um vielleicht mal einen ganz anderen Aspekt reinzubringen. Dass man statt billigem Fleisch einfach auch in Richtung … Meat – also früher hat man gesagt … Meat, also einfach künstliches Fleisch als Ersatz für billiges tierisches Fleisch, weg von Tierversuchen, indem man alternative Methoden ganz stark fördert und ausbaut. Drastische Reduzierung von Tiertransporten, im Idealfall so was wie es in Großbritannien geschafft wurde, ein komplettes Verbot von Lebend-Tierexporten. Das, würde ich sagen, sind so die, wenn ich so, ich habe jetzt gar nicht mitgezählt, aber so eine Top vier, Top fünf nennen würde, wären das so meine.
Carola Rackete: Ja, also ich bin ja praktisch in den Ausschüssen in der umgekehrten Situation im Vergleich zu Sebastian, also Vollmitglied im Umweltausschuss und dann stellvertretend im Agrarausschuss, aber auch im Wirtschaftsausschuss tatsächlich. Und der Grund dafür, den ich auch noch mal kurz erläutern möchte, ist, dass mir das Thema Biodiversitäts-Credits und Biodivesitäts-Offsets sehr am Herzen liegt. Weil die Kommission wirklich dabei ist, große Schandtaten vorzubereiten, meiner Meinung nach. Und nachdem es ja schon diese wirklich, wirklich vielen und katastrophalen Carbon-Offsetting-Projekte gibt, die überhaupt nicht funktionieren und nicht das einhalten, was versprochen wird, wo wir wissen, dass 80 bis 90 Prozent wissenschaftlich erwiesen nicht zu Reduktion von Treibhausgasen führen, dass solche Märkte, solche Finanzmärkte auch für Biodiversität eingeführt werden sollen, das finde ich total wichtig. Sich dagegen einzusetzen und zu schauen, dass wir das hoffentlich verhindern können, weil es nichts weiter als Augenwischerei und Greenwashing ist, meiner Meinung nach. Und das ist ein großes Thema, was die Kommission voranbringen möchte. Ich möchte eine Sache zum Prozess praktisch sagen. Also nicht zu sehr zu dem, was wir hier mit einer Mehrheit von Konservativen und Rechten bis extrem Rechten in diesem Parlament erreichen können, da bin ich nämlich wirklich sehr klar darin, dass wir hier leider einen Abwehrkampf führen. Sondern zum Prozess etwas sagen. Nämlich, dass uns bewusst sein muss, dass wir hier in der Europäischen Union Entscheidungen treffen, die die ganze Welt betreffen. Das sehen wir natürlich ganz klar bei Themen wie Migration, aber jetzt auch bei so was wie bei EU-Mercosur zum Beispiel, bei allen Verträgen zu Rohstoffen, bei unserem krassen Konsumverhalten, dem Drang, dass die Wirtschaft immer und immer weiter wachsen muss und all diesen Themen. Und dass viele Menschen einerseits, die hier in Europa leben und ja keinen Pass haben, keinen europäischen, oder auch im Globalen Süden sind, da überhaupt nicht mitreden und mitentscheiden dürfen. Und für uns oder für mein Team ist es extrem wichtig, zu schauen, dass wir unsere Position innerhalb der Institution dafür nutzen, diesen Menschen und Bewegungen aus dem Globalen Süden, die von EU-Politik oder von EU-Firmen ausgebeutet werden, denen eine Plattform hier in Europa zu geben, die einzuladen, denen zu helfen, hierher zu kommen, sich zu vernetzen. Und darauf ist bei uns im Team ein großer Fokus. Und das kommt aus dem Anspruch einer internationalen oder einer globalen Gerechtigkeit, auf die wir hinarbeiten müssen und einer internationalen Solidarität.
Ihr habt jetzt viel gesprochen über notwendige Veränderungen, über die Landwirtschaft – darüber haben wir schon mit Sebastian und wir auch beide, Carola, gesprochen, was man da ändern müsste. Über Klimapolitik, über Migrationspolitik. Meine Frage ist nur: Legt ihr euch da nicht mit Gruppierungen, mit Lobby-Vertreter*innen, mit anderen massiven Kräften an, die Widerstand leisten gegen Fortschritt, gegen Veränderungen. Wie seht ihr da eure Chancen? Ist das ein Kampf David gegen Goliath? Gerade, wenn ich die Landwirtschaftspolitik sehe, die von mächtigen Lobbyverbänden dominiert wird, wo ich glaube, es hat sich seit Jahrzehnten nichts geändert in der europäischen Landwirtschaftspolitik. Wie seht ihr da eure Chancen, als progressive Kräfte etwas zu verändern, innerhalb und außerhalb des Parlaments?
Sebastian Everding: Also Carolas Ansatz finde ich schon mal sehr gut. Ich gehe so ein bisschen mehr in die Richtung, dass wir einfach die Menschen da draußen viel stärker informieren müssen, auch was grundsätzlich als Hintergründe in der Politik läuft. Ich meine, es wird immer so lapidar gesagt, der Einkaufszettel ist der Stimmzettel. Und das hat aber eigentlich eine solche Schlagkraft und das wird einfach viel zu wenig gemacht. Also die Menschen draußen werden zu wenig informiert. Das sehe ich so ein bisschen hier als Aufgabe an. Es ist einfach auch total wichtig, quasi das Parlament zu verlassen. Ich nehme gerade in Brüssel, wo der Hauptplatz vom Parlament ist, nehme ich regelmäßig an Demonstrationen und Kundgebungen teil, hole mir da Informationen von entsprechenden NGOs aus erster Hand, bin, reise vielleicht nicht ganz so viel wie Carola. War beispielsweise letztes Wochenende in Köln, an der sogenannten Rhein-Krake, wo einfach das Thema Vermüllung und wo gezeigt wird, was für ein Müll aus dem Rhein gefischt wird. Dann habe ich mich mit mehreren Vertretern, Wolfsschützern, getroffen, weil gerade von konservativ bis rechts so ein bisschen der Wolf als das Feindbild hier im Parlament etabliert wurde. Und mein Team und ich und viele Tierschützerinnen und Tierschützer sagen ganz klar, der Wolf ist wichtig, der Wolf ist wichtig auch für die Biodiversität. Und klar, wir legen uns da mit mächtigen Gegnern an. Wobei ich immer sage, gerade die ganze Landwirtschaftslobby, oder Landwirtinnen und Landwirte sind eigentlich per se keine Gegner. Ich und auch der Großteil der Aktiven in meiner Partei, wir leben vegan, wir sagen, klar müssen wir weg von Massentierhaltung, aber und perspektivisch sogar von der Tierhaltung. Aber der Anbau von pflanzlichen Proteinen ist dermaßen wichtig. Und das geht halt nur mit Landwirtinnen und Landwirten zusammen. Und ja, man baut sich Gegner auf. Ansonsten ich bin über viele Jahre auch beispielsweise im Kampf gegen die Jagd aktiv, habe mir da auch viele Feinde gemacht in der Jägerschaft von irgendwelchen Jagdhundeausbilderinnen und -ausbildern. Also ich bin Gegenwind gewohnt. Ich finde es aber ganz wichtig, da einfach auf wissenschaftlich fundierter Basis zu argumentieren. Weil dagegen, klar, dagegen wird auch was gesagt, aber eigentlich sollten dann die Argumente für einen sprechen, und das kann auch die Basis nur dafür sein, wirklich die Bevölkerung mitzunehmen und einfach zu sagen, warum es wichtig ist für Menschen, für Umwelt, für Klima und für die Tiere, verschiedene Sachen anders zu machen als jetzt und einfach so ein bisschen die Perspektive, das ist so das, was mich immer persönlich immer in den Wahnsinn treibt hier, dass es hier im Parlament wirklich nur um Wirtschaftlichkeit, um Wettbewerbsfähigkeit geht. Dass man ja der Landwirtschaft, den Bäuerinnen und Bauern nicht ihre Pestizide wegnehmen soll, weil die sonst nicht wettbewerbsfähig gegenüber dem Ausland sind. Dass man die europäischen Fangflotten voll auslasten muss – das ist gerade im Fischereiausschuss sehr, sehr frustrierend und sehr konservativ. Weil wenn die Europäer nicht fischen, dann kommen die Chinesen. Also es ist, wir haben hier große Gegner, aber wir haben einfach auch wichtige, wichtige Themen.
Carola Rackete: Ja, ich würde auf jeden Fall sagen, die Gegner sind extrem groß. Das lässt sich ja auch in Zahlen immer belegen. Weil wir wissen, dass die Agrarlobby eine der drei größten Lobbys ist, nicht nur hier in Brüssel, sondern auch in Deutschland. Das sind einfach riesige Geldinteressen, die dahinterstehen. Und deswegen ist das ja auch klar, warum Landwirtschaft da ein linkes Thema ist. Weil man sich gegen ganz große Konzerninteressen stellt. Vor allem natürlich der großen Lebensmittelkonzerne. Die eine wahnsinnige und absolut irrsinnige Marktmacht haben. Und das größte Problem ist einfach die Preispolitik. Also es gibt für die Landwirte und Landwirtinnen ja überhaupt keine Möglichkeit oder sehr wenig Möglichkeiten, daran vorbeizukommen, an diese großen Supermarktketten zu verkaufen. Und das ist ein riesengroßes Problem. Ich möchte noch mal sagen, eine so große Marktdominanz, wie die großen Lebensmittelketten haben, haben wir sonst nur im Bereiche der Internetbranche, also so was wie Amazon zum Beispiel, hat auch eine ähnliche Akkumulation von Macht. Das gibt es sonst in keiner anderen Branche. So stark, wie die Lebensmittelkonzerne da sind. Von dem her ist es extrem schwierig, daran etwas zu ändern. Aber deswegen natürlich umso notwendiger. Und ich glaube, das, was immer wieder aufkommt als Frage, ist, wie man außerhalb dieser großen Lebensmittelhändler vermarkten kann, wie man es schaffen kann, seine, also das ist etwas, was ich von Landwirten und Landwirtinnen immer wieder höre, wie sie es schaffen wollen, direkt zu vermarkten, direkt abzugeben, alle Mittelmänner und Mittelfrauen zu umgehen und von ihren Erzeugnissen leben zu können. Und das ist etwas, wo ich in der EU überhaupt nicht sehe, dass sich irgendetwas bewegt, aber wo auf jeden Fall noch mal ganz klar wird, warum Landwirtschaft so ein linkes Thema eigentlich sein müsste und sein sollte. Viel mehr, als es das heute manchmal ist. Und ich glaube, dass es wirklich wichtig ist, diejenigen, die Alternativen haben oder vorschlagen, zu unterstützen und den Alternativen Sichtbarkeit zu geben. Und wenn ich dann noch mal darauf zurückkomme, dass ich sage, ich war gerade in Italien und habe da eben bei Rosano Leute besucht. Auch da ist es so, dass es Alternativprojekte gibt, wo ökologisch und sozial gerecht oder gerechter gewirtschaftet wird. Und da müssen wir uns eben überlegen, wo der Spielraum ist, um solche Projekte zu unterstützen, ob zumindest der Staat zum Beispiel oder staatliche Einrichtungen wie Schulen, Krankenhäuser usw. verpflichtet werden müssen, ökologisch und sozial einzukaufen, oder ob wir nicht zumindest endlich mal europaweit es schaffen würden, festzulegen, dass die Bauern nicht gezwungen werden können, unter dem Erzeugerpreis abzugeben. Weil das ist ja eine Forderung, die wirklich seit Wir haben es satt oder auch von vielen Bewegungen schon immer und immer wieder an die Politik herangetragen wird. Und man muss halt sagen, in Frankreich und Spanien ist es auch verboten. Also sollte es da auch ein EU-weites Verbot geben.
Ihr habt beide die Unterstützung und die Sichtbarkeitmachung von Projekten angesprochen. Ihr habt beide auch gesagt, dass es viele Akteur*innen außerhalb des parlamentarischen Rahmens gibt, um das zu schaffen. Wo würdet ihr denn sagen, sind eure Bündnispartner*innen innerhalb des Europäischen Parlaments? Weil die braucht es ja wahrscheinlich auch, um genau diese Sichtbarmachung von den Problemen zu erreichen.
Sebastian Everding: Da kann ich ja bis jetzt nur über eine relativ kurze Zeit von wenigen Monaten sprechen. Was ich persönlich sehr, sehr schätze ist die Möglichkeit der Intergroups. Also Intergroups sind ja überfraktionelle Zusammenschlüsse von Abgeordneten unterschiedlichster Parteien und Fraktionen zu bestimmten Themen. Es wurden jetzt glaube ich 27 neue beziehungsweise alte Intergroups neugegründet oder neu erschaffen. Und für mich persönlich ist natürlich die Intergroup for Animal wellware, also die Tierschutz-Intergroup die Allerwichtigste. Weil da eben wirklich Mitglieder à la Couleur wie man so schön sagt, zusammenkommen. Die haben teilweise andere Definitionen, was ist Tierschutz als ich. Aber trotzdem geben die dem einen hohen Stellenwert. Und das ist halt eine Basis, wir treffen uns eigentlich jedes, also ich glaube im Monat mindestens ein-, zweimal, eigentlich zu Strasbourg immer. Jetzt ist beispielsweise morgen ist wieder ein Treffen. In der letzten Woche war ein Treffen. Und da kann man sehr schön Kontakte knüpfen und einfach sich gemeinsam zu tier-, und umweltschutzrelevanten Themen austauschen. Ansonsten schätze ich das natürlich auch innerhalb unserer Fraktion sehr. Da war ich auch froh, dass ich Teil geworden bin der NGL-Unter-Group, also der nordisch-grünen Linken. Weil gerade mit Skandinaviern und beziehungsweise die Niederländer sind mit drin und die Iren sind mit drin. Also da haben wir schon sehr große Überschneidungen, wenn es um Umwelt- und Klimaschutz geht. Also nicht nur in Tierschutzthemen.
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